Sturz durch Glasdach

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Herr Gottfried Wimmer war nicht mehr gut zu Fuß. Das Heimwerken ließ er sich jedoch nicht nehmen. So stürzte er vom Balkon seines Wohnblocks durch das Glasdach des im Erdgeschoss angebauten Wintergartens. Doch zu Boden stürzte er nicht: er blieb im stählernen Gebälk des Anbaus hängen. Und er verstarb noch bevor der Rettungsdienst eintraf. Auch der hinzugezogene Notarzt konnte ihm nicht mehr helfen.

Als ich die Leichenschau durchführen wollte, traute ich meinen Augen nicht: Mitarbeiter des Rettungsdienstes hatten das beschädigte Glasdach betreten. Es fanden sich die Abfälle medizinischer Ausrüstung verstreut. Zudem war der Verstorbene teils entkleidet. EKG-Elektroden waren offensichtlich angebracht worden. Und jemand hatte die Leiche zugedeckt.

Jedoch war im Glasdach ein Loch in Größe eines menschlichen Körpers. Der Tote war teils unter dem Glas verschwunden. Und stellenweise ragte er noch empor. Risse durchzogen die umgebende Glasscheibe nahezu sternförmig. Schnell war ich mir sicher: ich bin nicht so mutig. Dieses gesprungene Glasdach betrete ich nicht.

Also schafften wir Holzmaterial aufs Dach, um unsere Gewicht zu verteilen. Ansonsten balancierten wir nur auf den das Glas umgebenden Balken. Dies erschien uns einigermaßen sicher.

So konnten auch die Mitarbeiter des Bestattungsdienstes die Leiche bergen. Und keiner der Helfer brach ein oder verletzte sich.

Stefan Hartl

Jahrgang 1979. 2 Kinder. Arzt seit 2006. Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Suchtmedizin, Reisemedizin. Freiberufliche Tätigkeit, u.a. als Leichenschauer, seit 2006. Interessen: Literatur, Reisen.

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