Über mich

Mein Name ist Dr. Stefan Hartl, 42. Ich bin verheiratet und Vater zweier Kinder. Mein Wohnort liegt im Münchner Umland.

Den Beruf des Arztes habe ich zunächst nicht ergriffen, um „Arzt der Toten“ zu werden. Eigentlich bin ich Narkosearzt. Als Facharzt für Anästhesie beherrsche ich das anästhesiologische Spektrum im Operationssaal, auf der Intensivstation und im Notarztwagen.

Vor etwa 15 Jahren unterlief mir ein sachlicher Fehler beim Ausstellen einer Todesbescheinigung. Das war kurz nach Abschluss des Medizinstudiums. Also beschäftigte ich mich zunehmend mit der Thematik. Und so kam es, dass ich laufend zu Leichenschauen gerufen wurde. Bis zum heutigen Tag dürften es über 7000 Fälle gewesen sein.

Ich habe im Januar 2020 das Portal „www.leichenschau-muenchen.de“ bzw. „www.leichenschau-bayern.de“ gegründet.

„Sie haben aber keinen schönen Beruf!“

Ich bin gern Leichenschauer. Für mich ist es fast schon wie eine Berufung. Oft sagen mir Menschen, dass sie es nicht wirklich nachvollziehen können, warum ich mir das „antue“: dass ich mich freiwillig dem Leid, der Trauer, der Hoffnungslosigkeit anderer Menschen aussetze. Und viele empfinden fast Ekel. „Sie haben aber keinen schönen Beruf,“ flüstern mir dann viele zu.

Als Leichenschauer trifft man auf viele unterschiedliche Menschen. Man kommt an Orte, die ich sonst nie zu sehen bekomme. So komme ich in interessante Wohnungen und „taucht“ kurz in das Leben und das soziale Umfeld des Verstorbenen ein.

Was war es für ein Mensch? Was hat ihn ausgemacht? Wie waren seine letzten Jahre, Monate, Wochen, Tage? Und: woran ist er nun verstorben?

Eine spannende, abwechslungsreiche und dankbare Tätigkeit.

Ich komme in Kontakt mit den Menschen, die sich um den Verstorbenen gesorgt haben und die ihn geliebt haben. Da höre ich unzählige Anekdoten. So manch Ehepartner packt ein Fotoalbum aus und berichtet: „Sie hat die Berge so geliebt.“

Man erlebt, wie Menschen das wichtigste im Leben genommen wurde. Die Eltern, Kinder, der Partner. Junge und alte Menschen. Frauen und Männer. Manchmal durch Krankheit oder Unfall. Oder, es war Selbstmord. Oder schlimmer noch: durch ein Tötungsdelikt.

Es ist das wahre Leben. Und der Tod gehört dazu.

Es ist das wahre Leben, ungeschminkt mit all seinen Facetten. Aber man erlebt auch, wie unterschiedlich Menschen mit dem Verlust umgehen.

Ich habe gelernt zuzuhören und den Schmerz anderer auszuhalten. Ich habe gelernt, die Stille und Phasen des Schweigen zu ertragen. Weil es gibt Situationen, da kann man nichts sagen, sondern nur als Mensch präsent sein.

Ich nehme mir die erforderliche Zeit.

So bin ich nicht nur als Mensch anwesend, sondern ich bin auch Arzt. Und ich kann Fragen beantworten, fachlich und sachlich. Und ich merke, dass die Menschen mir dankbar sind, dass ich mir die Zeit nehme und zuhöre.

Mit Herzblut komme ich der Tätigkeit nach.

Nachdenklich stimmt mich jedoch, wie viele Leute niemanden haben. Sie leben völlig vereinsamt unter dem Radar der Luxusgesellschaft. Wenn Sie dann tot sind, ist niemand da, der sie vermisst.

Ich persönlich glaube, erst durch die Liebe anderer wird man unsterblich.

Es geht aber noch extremer: zu Lebzeiten hat sich offenbar niemand um den Toten gesorgt. Kaum wird bekannt, dass er tot ist, streiten sich sofort mögliche Erben um den Nachlass. Da ist der Totenschein noch nicht ausgestellt, die Leiche noch nicht kalt und vom Bestatter noch nicht abgeholt. Es wird schon begonnen die Wertgegenstände aus der Wohnung zu tragen.

Mich erfüllt die Tätigkeit des Leichenschauers mit Demut und Stolz. Auch wenn andere dies nicht nachvollziehen können: für mich ist es der beste Beruf der Welt.

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